Leitzinserhöhung der SNB
Sieben gute Gründe für diesen historischen Zinsschritt
Erstens befinden sich sowohl die Schweizer Wirtschaft als auch der Arbeitsmarkt in einer sehr starken Position. Beide sind robust und können die Zinserhöhung gut verkraften. Die Nationalbank agiert aus einer Position der (relativen) Stärke heraus. Die Alternative, nämlich die Inflation jetzt nicht entschlossen zu bekämpfen, würde in der Wirtschaft übrigens sehr wahrscheinlich viel mehr und nachhaltigeren Schaden anrichten als die nun erfolgte Zinserhöhung.
Abbildung 1 – Leitzinsentwicklung in der Schweiz seit 2002
Zweitens hielt sich die Aufwertung des Schweizer Frankens als Folge der Zinserhöhung in Grenzen. Daraus sollte der Schweizer Wirtschaft kein Schaden entstehen. Gerade, wenn man bedenkt, dass der US Dollar gegenüber dem Franken in den vergangenen Monaten stark zugelegt hat.
Drittens war der Schweizer Franken in den vergangenen Jahren eigentlich nur wenig überbewertet. Der reale, effektive Wechselkurs, welcher u.a. die Inflationsraten in den Ländern der Schweizer Handelspartner sowie deren relative Relevanz als Handelspartner berücksichtigt, zeigt dies, wie in Abbildung 2 dargestellt, überzeugend auf.
Abbildung 2 – Realer, effektiver Wechselkurs des Schweizer Frankens
Viertens hat die SNB ihre bedingten Inflationsprognosen für die kommenden Jahre signifikant angehoben. Diese betragen nun 2.8% für 2022, 1.9% für 2023 und 1.6% für 2024. Die SNB betont, dass diese Zahlen ohne die Leitzinserhöhung auf -0.25% deutlich höher liegen würden. Jedenfalls ist es sowieso besser, die Inflation möglichst früh entschlossen zu bekämpfen, als zu einem Zeitpunkt an dem sie in der Schweiz noch nicht auf breiter Basis in der Wirtschaft festgesetzt hat und an dem es noch relativ „billlig“ ist, dies zu tun! Durch die Zinserhöhung und die damit verbundene Aufwertung des Schweizer Franken hat die SNB frühzeitig einen höchst eleganten Weg gewählt, der es der Schweiz ermöglicht, den „Import“ von Inflation zu vermeiden. Die grossen Kosten, die mit einem längeren Zuwarten bei der Inflationsbekämpfung einhergehen würden, lassen sich momentan in den USA und in der Eurozone beobachten.
Fünftens hält sich die SNB nach wie vor alle Optionen offen. So hält sie in ihrer Lagebeurteilung vom 16. Juni klar fest, dass sie dazu bereit ist bei Bedarf weiterhin am Devisenmarkt zu intervenieren.
Sechstens sollten wir bedenken, dass Negativzinsen in der Schweiz auch mit beträchtlichen Kosten für Schweizer Sparer, Pensionskassen, Banken, Versicherungen etc. verbunden sind. Die Zinserhöhung geht in dieser Hinsicht ganz klar in Richtung einer vorteilhaften Normalisierung.
Siebtens – und auch dies ist sehr wichtig – kann der Schritt der SNB auch als starkes „Statement“ für eine von der EZB und anderen Zentralbanken unabhängige Geldpolitik gewertet werden. Ausserdem signalisiert die SNB so, dass sie die Inflation entschlossen drosseln und bekämpfen will. Der Gewinn an Glaubwürdigkeit, welcher mit all diesen Handlungen und „Statements“ einhergeht, wird der SNB in Zukunft gute Dienste erweisen und ihren Ruf als hervorragende, gut geführte und vertrauenswürdige Institution, welchen sie heute und seit vielen Jahrzehnten geniesst, noch weiter verfestigen.
Abschliessende Gedanken zur Leitzinserhöhung
Anzumerken bleibt, dass bedeutende Abwärtsrisiken bzgl. Wirtschaftswachstum bestehen, welche diese (positiven) Überlegungen durchaus widerlegen könnten: weitere Eskalationen im Ukraine-Krieg, Inflationserwartungen, die selbsterfüllend werden, ein Wiederaufflammen der Covid-Pandemie, geopolitische Spannungen, persistentere Lieferkettenengpässe, exzessive geldpolitische Reaktionen etc. Sollten sich einige dieser Risiken materialisieren, wäre die SNB mit ihrer Zinserhöhung womöglich zu früh gekommen. Primär (und nach aktueller Datenlage) darf die Zinserhöhung der SNB allerdings als starkes und wichtiges Statement gewertet werden.